Wasserkunstanlage Paradies

Wasserkunstanlage „Paradies“
Architekt: Max Laeuger
1922-25

Nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, die das gesellschaftliche Leben der Kurstädte zutiefst erschütterte, wurde Max Laeuger 1922 von der Stadt Baden-Baden mit der Planung der Villenanlage Friedrichspark beauftragt. Das Neubaugebiet am Annaberg wurde bereits ab 1903 erschlossen, der schleppende Ausbau kam allerdings 1914 zum Erliegen.

Wegen der spektakulären Aussicht auf die Altstadt sollte ein Teil des Hangs von Beginn an von Bebauung freigehalten werden. Bereits der Bebauungsplan von 1901 sah einen kleinen Landschaftspark mit Bachlauf vor. Max Laeugers Wasserkunstanlage Paradies ist allerdings ein geometrischer Garten und das erste bedeutende Projekt in Baden-Baden nach der Zäsur von 1918.

1923 erhielt die in Freiburg ansässige Oberrheinische Immobilien-Aktiengesellschaft die Baugenehmigung zur Realisierung des Entwurfs von Laeuger. Der Terrassengarten wird von acht paarweise angeordneten kubischen Villen gesäumt, die sich an einem von Laeuger definierten Typus orientieren. Die meisten von ihnen hat Oskar Kraetz geplant. Die Anlage wurde unter dem Namen „Wasserkunst Paradies“ 1925 offiziell ihrer Bestimmung übergeben.

Zentrales Element ist ein 250 Meter langer, durch zwei Querstraßen dreigeteilter Garten, der einen Höhenunterschied von 40 Metern überwindet und mit seiner Blickachse auf die Stiftskirche ausgerichtet ist. Laeuger gelang es in bemerkenswerter Weise, die natürliche Topografie und die bereits vor dem Krieg angelegten Serpentinenstraßen mit gestalterischen Prinzipien der Gartenarchitektur zu verbinden. Der langgestreckte, sehr schmale Park wird von symmetrisch angelegten Treppenläufen flankiert, die eine Serie von Kaskaden einrahmen. In gewisser Weise greift die Staffelung des Gartens das Motiv der Altstadtstaffeln auf und stellt damit einen Bezug zur lokalen Bautradition her.

Im oberen und längsten Abschnitt des Gartens entspringt das Wasser auf der höchsten Geländestufe in einem grottenartigen Bauwerk mit drei offenen Arkaden. Von dort aus fließt es in elf aufeinanderfolgenden Kaskaden nach unten, begleitet von seitlichen Treppenläufen, und mündet in ein halbrundes, dreifach gestuftes Wasserbecken. Der obere Abschnitt endet auf einem niedrigeren Plateau, in dessen Zentrum sich ein schalenförmiger Brunnen befindet.

Der mittlere, sehr kurze Abschnitt zwischen Prinz-Weimar-Straße und Zeppelinstraße ist deutlich anders gestaltet. Ein- und zweiläufige Treppen verbinden die Gartenräume unterschiedlicher Dimensionen auf verschiedenen Ebenen. Im Zentrum stehen sich zwei Wandbrunnen gegenüber, in deren künstlichen Tropfsteinnischen Wasser in drei übereinander angeordneten Schalen fließt. In die Stützmauer der oberen Stirnwand eingearbeitet ist das Gedicht „Der römische Brunnen“ von Conrad Ferdinand Meyer (1825–1898), das der Dichter 1858 beim Anblick eines Brunnens in der Villa Borghese in Rom schrieb. Damit verweist Laeuger auf die italienischen Vorbilder seines Entwurfs.

Der untere Abschnitt des Parks folgt dem Prinzip des mittleren. Auch dort wechseln sich Gartenräume mit Treppenanlagen ab. Diese sind notwendig, um das beachtliche Gefälle zu überwinden. Ein großer halbrunder Brunnen mit drei Schalen schließt als untere Stirnwand die Wasserkunstanlage ab.

Der Besucher, der das „Paradies“ von unten nach oben durchschreitet, erlebt in jedem der drei Abschnitte eine Steigerung der Wasserkunst. Diese kulminiert in den Kaskaden. Am Ziel des steilen Weges angelangt, wird der Besucher außerdem mit einer grandiosen Aussicht belohnt.

Der in der Fachliteratur verbreitete Vergleich des „Paradieses“ mit italienischen Terrassengärten der Spätrenaissance ist zweifellos richtig. Die Gärten der Villa Farnese in Caprarola, der Villa Lante in Bagnaia sowie der Villa Aldobrandini in Frascati zeigen das gleiche Motiv wie der obere Abschnitt des Paradieses, nämlich von Treppen gerahmte Kaskaden. In den Gärten von Bagnaia findet sich auch die Grotte als Quellpunkt des Wassers, allerdings sind die italienischen Vorbilder feiner gegliedert als der in Beton ausgeführte Terrassengarten in Baden-Baden.

Übersehen wurde aber immer, dass die beiden völlig anders gestalteten unteren Drittel des „Paradieses“ in den genannten Gärten schwerlich ein Vorbild finden. Die extrem steile Hanglage, die geringe Breite und beachtliche Länge des Baden-Badener Gartens erinnern in ihrer Gesamtheit an den Garten der Villa Garzoni in Collodi (Toskana), der im 17. Jahrhundert entstand und einen ähnlichen Höhenunterschied überwindet (vgl. Coenen 2008).

Laeuger hat das „Paradies“ komplett in Beton ausgeführt und nicht wie die Gönneranlage in Werkstein. Allerdings erwecken die Betonelemente beim flüchtigen Betrachter zumindest teilweise den Eindruck von Werkstein. Dies geschah in Absicht und nicht aus gestalterischen Gründen. In der schwierigen Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg verfügte die Stadt Baden-Baden nicht über ausreichende finanzielle Mittel für den teuren Bau einer 250 Meter langen Gartenanlage in Naturstein. Wegen der wirtschaftlich angespannten Lage wurde der Beton außerdem nicht sachgemäß verarbeitet. Dies machte in den Jahren 2006 bis 2014 eine aufwendige Sanierung notwendig.

Autor und Fotos: Dr. Ulrich Coenen (https://ulrichcoenen.de)

Architekturführer Baden-Baden

Dieser soll in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres erscheinen und wird mehr als 150 Gebäude von der Antike bis zur Gegenwart beschreiben und in den städtebaulichen Kontext einordnen. Herausgegeben wird das Buch mit rund 300 Seiten (Vierfarbdruck) von der Knapp-Stiftung für Architektur und Städtebau von Heinz Knapp (Baden-Baden). Es handelt es sich um kein kommerzielles, sondern um ein gemeinnütziges Buchprojekt, das nicht auf Gewinn abzielt. Die Stiftung finanziert den Druck, der Autor arbeitet ehrenamtlich.

Knapp-Stiftung für Architektur und Städtebau (Baden-Baden), gegründet 2010 von Dipl-Ing. Heinz Knapp.

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